Was ist eigentlich "gute" Blasmusik?
Diese Frage kann ja grundsätzlich jeder für sich selbst beantworten, denn "de gustibus non est desputandum". Allerdings gibt es dann doch einige Werke, die nicht mehr als ein Musiker/Zuhörer/Komponist als herausragend bezeichnen würde. Die englische Wikipedia hat dementsprechend eine Liste von Blasorchesterliteratur, in der sogenannte "Cornerstone Works" definiert werden, die als Meilensteine der Blasorchesterliteratur gelten sollen. Dass diese Liste entsprechend amerikalastig ist, sei dahingestellt (was macht Sousas "Semper fidelis" wichtiger als beispielsweise Fuciks "Florentiner Marsch"), aber es ist jedenfalls interessant, wie eine solche Liste zustande kommt. Auf der "Rückseite" dieser Liste wird dementsprechend auch immer wieder diskutiert, ob (und in welcher Kategorie) Stücke aufgenommen werden sollen und wie man den Wert eines Werkes bzw. dessen Relevanz für die Blasorchesterliteratur bewertet. Eine interessante Studie, die in diesem Zusammenhang genannt wurde, ist "An Evaluation of Compositions for Wind Band According to Specific Criteria of Serious Artistic Merit: A Second Update". Hierzu wurden 20 Dirigenten (unter ihnen Donald Hunsberger und Jack Stamp) zu einer Liste von hunderten von Blasorchesterwerken befragt, um Bekanntheit und subjektive Qualität der Stücke zu bewerten - eine insgesamt spannende Aktion, über die es sich mal zu lesen lohnt.
Und was ist nun das "beste" Blasorchesterwerk? Alban Bergs "Kammerkonzert für Klavier, Geige mit dreizehn Bläsern", Dvoraks "Serenade für Blasinstrumente op. 44", Mozarts "Gran Partita", Strawinskys "Concerto für Klavier und Blasorchester" und "Symphonies d’instruments à vent" erreichen in der aktuellen Studie jeweils die Höchstpunktzahl 5,0. Nun kann man bei den Stücken diskutieren, um es sich um Werke für "Blasorchester" im eigentlichen Sinn handelt. Daher habe ich mir die Liste noch einmal genauer angesehen: das beste Werk, das ich selbst schon gespielt habe, ist Graingers "Lincolnshire Posy" mit 4,8 Punkten, unser Wertungsstück 2015, die "English Folk Song Suite", erreicht 4,0 Punkte. Von den aktuelleren Stücken sind Colgrass' "Winds of Nagual", Husas "Music for Prague" und Schwantners "...and the mountains rising nowhere" mit 4,9 Punkten die am höchsten eingeschätztem.
Was heißt nun das alles? Im Grunde nichts, da wie eingangs erwähnt jeder selbst wissen muss, was ihm gefällt. Aber immerhin hat sich der Ersteller der ursprünglichen Studie Gedanken darüber gemacht, nach welchen Kriterien er Werke "bewerten" würde:
- Die Komposition hat Form, sie ist organisiert
- Die Komposition macht den Eindruck, nicht "zufällig" entstanden zu sein
- Die Komposition ist gut arrangiert, Klangfarben werden balanciert eingesetzt
- Die Komposition ist in gewissem Maße unvorhersehbar und nicht sofort erfassbar
- Der Weg, auf dem die Komposition ihr musikalisches Ziel erreicht wird, ist nicht gerade
- Die Komposition ist durchgängig gleich hochwertig, kein Teil sticht heraus
- Die Komposition hat einen durchgängigen Stil, wird nicht trivial oder unpassend
- Die Komposition hat etwas "Besonderes", "Eigenartiges"
- Titel und Werk passen zusammen
- Die Komposition ist nicht nur pädagogisch oder historisch wertvoll
Da das Thema diesmal etwas trockener war als üblich, gibt es zur Belohnung eine Aufnahme des oben erwähnten Stücks "Lincolnshire Posy", gespielt vom Eastman Wind Ensemble unter Frederick Fennell:
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